Diese Seite soll an die Anfänge des Sports in Marksuhl erinnern, die im Turnverein Jahn wurzeln.
Das Bildmaterial wurde von meinem Großvater Ernst Trostmann zusammengetragen.
Auszüge aus der Chronik des Turnvereins
> In dieser so bewegeten Zeit erfolgte in Marksuhl 1906 die Gründung des
"Turnvereins Jahn".
Die Gründungsväter des Turnvereins waren: Dr. Landbeck (Direktor der damaligen
Winterschule) sowie der Lehrer und Kantor Nennstiel. Man darf den
Gründungsvätern unterstellen, dass ihr Handeln von großem Idealismus beseelt
war.Wohl und Nutzen für die Marksuhler standen an erster Stelle.<
[...]
>Veranstaltungen des Vereines wurden mit dem Gruß "Gut Heil" begonnen und auch
ebenso beendet.
Der Turnverein Jahn Marksuhl hatte ebenso wie andere Vereine eine
Vereinsfahne. Diese Vereinsfahne wurde beim Einzug der Sowjetarmee in Marksuhl
versteckt und hat sich bis zum heutigen Tage nicht wieder eingefunden.
Neben der Marksuhler Fahne des Turnvereins wurde nach dem ersten Weltkrieg
noch die Fahne des deutschen Turnerbundes geführt. Das Emblem dieser Fahne
bestand aus vier großen F in roter Farbe zu einem Kreuz zusammengefügt auf
weißen Fahnengrund.
Das Emblem bedeutete "Frisch", "Fromm","Fröhlich","Frei".
Frisch: An die Lösung anstehender Probleme mutig und zielstrebig
herngehen.
Immer der Zukunft zugewandt ohne die Bindung zur Vergangenheit zu verlieren
Fromm: Alles, was ihr von den Menschen erwartet, das tut ihr ihnen
ebenso.
Einen Weg miteinander gehen,sich dabei nicht gegenseitig aus den Augen
verlieren,
in Verantwortung für einander Leben.
So entsteht eine durch Frieden gekennzeichnete Gefährtenschaft - ob im
Turnverein,
in Familie, in der Schule oder an der Arbeit.
Frei: Jede Gemeinschaft zerbröckelt, wenn der Einzelne ungehindert
bestimmen kann, wieviel Freiheit er sich nehmen darf. Freiheit hat auch zum
Inhalt, sich gegen gegen sich selbst entscheiden zu können, wenn es nötig ist.
<
[...]
> Zu den gepflegten Sportarten gehörten:
- Geräteturnen: Reck, Hochreck, Barren, Kasten, Pferd, Bock, Schwebebalken
- Bodenturnen und Gymnastik
- Ballspiele: Schlagball, Völkerball, Faustball, Schleuderball, Handball
- Leichtathletik: Lauf, Wurf, Weitsprung, Hochsprung, Kugelstoßen
In der kalten Jahreszeit fanden die Turnstunden im Saal des "Grünen Baumes"
statt. Im Saal wurden Geräteturnen, Bodenturnen und Gymnastik gepflegt. Die
Übungsgruppen wurden als Turnriegen bezeichnet. Es gab Turnriegen der Männer,
der Frauen, der Jungen sowie Mädchen. Außerdem gab es eine Gymnastikgruppe der
Frauen.
Vor dem ersten Weltkrieg waren Fritz Ahbe und Karl Thiel als Turnwarte tätig.
Eine gewaltige Zäsur für das Vereinsleben in Marksuhl war der erste Weltkrieg.
Nach Beendigung des ersten Weltkrieges wurde das Vereinszusammensein neu
belebt, wenn auch viele Dinge nicht mehr so waren wie früher. Dabei wurde an
die alten Traditionen angeknüpft.<
[...]
>
Die Satzung des Turnvereins forderte von den Vereinsmitgliedern
Disziplin.
Häufiges unentschuldigtes Fehlen, wie auch ungebührliches Verhalten im Verein
und in der Öffentlichkeit konnten den Ausschluß vom Verein bewirken.
Neben der Pflege des Sportes bemühte sich der Turnverein auch um
Veranstaltungen geselliger, gemeinschaftsfördernder Art. Anfang des Jahres
fand der traditionelle Turnerball statt. Im Winter wurden auch volkstümliche
Theaterstücke aufgeführt, in Verbindung mit sportlichen Einlagen. Alljährlich
veranstaltete man zu Himmelfahrt Wanderungen zum nahe gelegenen Dietrichsberg,
gelegen zwischen Wünschensuhl und Oberellen. Daran beteiligten sich nicht nur
die aktiven Sportler, sondern auch deren Familienangehörige. Dort trafen sich
bei dieser Gelegenheit die Turnvereine der umliegenden Ortschaften. Die
Veranstaltungen begannen mit einem Gottesdienst mit musikalischer
Ausgestaltung durch Blaskapellen.
Darauf folgten sportliche Vorführungen der beteiligten Turnerschaften; auch
Gesang und Theaterspiel wurden dabei gepflegt.
Für die erwachsenen Turner endete der Tag mit einer Tanzveranstaltung in einer
der naheliegenden Gemeinden. Manche bleibende Verbindung wurde dabei zwischen
Teilnehmerinnen und Teilnehmern geknüpft.
Diese gute Tradition wurde auch nach dem ersten Weltkrieg weitergeführt, bis
Mitte der 30iger Jahre. <
[...]
>Reinhold Rabich, gelernter Tischler und Landwirt, war Turnwart für
Jungen- und Mädchenturnen. Zu dieser Tätigkeit wurde er durch Absolvierung
eines Lehrganges an der "Preussischen Hochschule" in Berlin-Spandau befähigt.
Das Geräteturnen erfuhr bei Ihm eine sehr hohe Wertschätzung. Sah er doch
darin eine wirkungsvolle Möglichkeit zur allseitigen harmonischen Entwicklung
der Turnerjugend. Ging es dabei ja um die Entwicklung wertvoller körperlicher
Fähigkeiten wie Kraft, Beweglichkeit und Koordination. Desweiteren um die
Förderung wesentlicher psychischer Eigenschaften wie Leistungsbereitschaft,
Konzentration und Selbstbeherrschung.
Nicht zu vergessen sei die Entwicklung des Gemeinschaftssinnes und des
uneigennützigen Beistandes in der Gruppe. Erwähnt sei auch sein Bestreben, den
Kindern möglichst früh den Zugang zur sportlichen Betätigung zu ermöglichen
und das Interesse der Eltern am sportlichen Tun ihrer Kinder zu wecken. So
haben ihn die Nachkriegsgenerationen des ersten Weltkrieges kennen- und
schätzen gelernt.
Er hat in vielfältiger Weise bezüglich unserer Freizeitgestaltung Aufgaben der
Eltern übernommen. Er war für uns Mädchen und Jungen immer da und ein "Zuviel"
oder "jetzt reicht es mir" gab es nicht.
An jedem Mittwoch leitete Reinold Rabich die Turnstunde im Grünen Baum. Am
Spätnachmittag versammelte er die Kinder und Jugendlichen um sich, am Abend
die erwachsenen Turnerinnen und Turner.
Die Geräte waren in der Peripherie des Saales aufgestellt, in der Mitte das
Reck an vier Haken abgespannt. Die Haken waren im Saalboden versenkbar
angebracht, um auch weiterhin Tanzveranstaltungen zu ermöglichen.
Die Turnbekleidung bestand für Kinder und Jugendliche aus schwarzer Turnhose,
leichten Turnschuhen und weißem Turnhemd, geziert mit dem Emblem der Deutschen
Turnerschaft.
Die Turnstunden wurden grundsätzlich mit Freiübungen begonnen. Sie dienten als
sogenannte Lockerungsübungen wie auch zur Verbesserung der allgemeinen
Körperhaltung.
Die Turner wurden in Riegen aufgeteilt, die an den jeweiligen Geräten ihre
Übungen unter Anleitung eines erfahrenen Riegenführers turnten.
Geturnt wurde im Stationsbetrieb und der Gerätewechsel erfolgte durch Pfiff
des Turnwarts.
Die Riegenführer turnten auf Kommando "Achtung" die Übungen vor und erklärten
den Ablauf. Nach dem Kommando "Rühren" wurde die Übung von den Turnern der
Riege nacheinander ausgeführt.
Geachtet wurde dabei auf die Körperhaltung, die Harmonie der Bewegung, sowie
auf die fehlerfreie Ausführung der Übung.
Eine besondere Disziplin stellte das Bodenturnen dar.
Die Turnstunde wurde in der Regel mit einem Spiel, einem Lied aus der
Liedersammlung "Getreu alle Zeit" und dem Gruß "Gut Heil" beendet.
Die Riege der Männer kleidete sich in weiße lange Hosen, weiße Turnschuhe,
weißes Sporthemd mit dem Zeichen "Frisch, Fromm, Fröhlich, Frei" in rot auf
der linken Seite des Sporthemdes. Wir Buben besuchten gerne als Zuschauer an
Sommerabenden das Turnen der Männer und staunten über das Muskelspiel und das
turnerische Können am Hochreck, Barren und Pferd, als deren Hauptdisziplinen.
Ganz beachtliche Leistungen boten die jungen Männer unseres Dorfes beim Turnen
am Barren und auch am Pferd.
Ihre Riesenwellen am Hochreck mit erstaunlichen Abgängen haben wir mit Respekt
in Augenschein genommen. Hierbei sei erwähnt, daß die Turnstunden in der
warmen Jahreszeit auf dem Sportplatz im Weiher stattfanden. Die Turngeräte
wurden dort in einer Baracke am Schwimmbad unter Verschluß verwahrt und zu den
Turnstunden im Freien aufgestellt.<
[...]
>Die Gymnastikgruppe der Mädchen im Turnverein unter der Leitung von
Turnwart Rabich setzten sich ambitionierte Mädchen mit den
gymnastisch-turnerischen Übungen auseinander.
Als gymnastische Handgeräte wurden verwendet: Stab, Keule und Fahne.
Da zu solch rythmischen Bewegungsabläufen Musik als tragendes Element
unerläßlich ist, bemühte sich in der Regel Egon Wagner, die Übungen am Klavier
zu begleiten. Ziel dieser turnerischen Betätigung war die Gestaltung
harmonischer Bewegungsabläufe in Anmut und Schönheit.
Die Theaterveranstaltungen, wie auch die Bezirksturnfeste (später
Untergauturnfeste), waren eine bedeutende Möglichkeit für die Gymnastikgruppe
ihr Können einer größeren Öffentlichkeit zu beweisen und nicht nur in Marksuhl
sondern auch in anderen Orten die Zuschauer zu begeistern.
Mit der Eingliederung des Turnvereins in den "Reichsbund für Leibesübungen"
bekamen die Mädchen für ihren Auftritt einen moderneren, "schicken"
Gymnastikanzug, wie es auf dem Bild zu sehen ist.
Dieses war auch ein Akt der Emanzipation, die damals noch in den Kinderschuhen
steckte.<
[...]
>Höhepunkte im Vereinsschaffen waren die Unterbezirks- bzw.
Untergauturnfeste, die in der Regel alljährlich in einem anderen Ort
ausgetragen wurden. Hierzu wurden auch Riegen aus anderen Regionen als Gäste
eingeladen und zeigten bei dieser Gelegenheit ihr Können.
In einer Festschrift des Turnverein 1869 Herleshausen zu seinem 125-jährigen
Jubiläum wird zum Beispiel berichtet, daß eine Auswahlriege sich an einem
solchen Sportfest in Marksuhl beteiligt habe.
In umgekehrter Weise, so wird es im Fahrtenbuch berichtet, beteiligte sich am
4. und 5. Juli 1931 eine Delegation aus Marksuhl am Turnfest im hessischen
Archfeld.
An eines dieser Untergausportfeste Mitte der dreißiger Jahre kann ich mich
noch erinnern. Wir waren schon Schüler der Volksschule im damals
nationalsozialistischen Deutschland. Es war die letzte dieser Veranstaltungen
in unserem Ort.
So kann ich mich erinnern, dass auch meine Eltern sich bereit erklärten ein
Quartier für die zahlreichen auswärtigen Teilnehmer zur Verfügung zu stellen.
Die Festveranstaltung begann am Sonntagmorgen mit einem Festgottesdienst auf
dem Sportplatz im Weiher, entsprechend der christlichen Lebensauffassung
unseres Turnvereins.
Für die musikalische Ausgestaltung sorgte die Marksuhler Blaskapelle.
Die Sportveranstaltung wurde mit einem Gymnastikprogramm der Turnerinnen und
Turner eröffnet. Dem folgten das Wett-Turnen der Turnerinnen und Turner an den
Geräten. Nachmittags fand das Schauturnen der Spitzenturner des Sportfestes
statt. Dabei zeigten die Turner der Deutschlandriege - einer Art
Nationalmannschaft - aus Ruhla ihr Können. Viele Interessierte bestaunten die
gezeigten Leistungen und sparten nicht mit Beifall.
Diesem Teil des Sportfestes folgte die Abschlußveranstaltung mit Siegerehrung.
Als Siegertrophäen gab es für Frauen und Männer zur Erinnerung kleine Kränze
aus Eichenlaub mit rot-weißen Schleifen und dem Symbol der Deutschen
Turnerschaft, sowie Jahr und Ort der Veranstaltung. Die jugendlichen
Teilnehmer erhielten Eichenzweige mit den gleichen Schleifen und
Aufschriften.<
[...]
>Turn- und Sportplätze
Seit der Gründung des Turnvereins in Marksuhl spielten auch die Örtlichkeiten
des sportlichen Treibens eine nicht unbedeutende Rolle. Das aktive turnerische
Vereinsgeschehen geschah im Sommer auf dem Fest-, Sport-, Turn- und Spielplatz
im oberen Teil des Stadtparkwaldes.
Der besondere Reiz dieser ersten Sportstätte bestand in den ringsum stehenden,
schattenspenden Bäumen des Waldes. Für das leibliche Wohl waren natürlich
Bratwurst und Bier vorhanden. Manche Fest- und Sportveranstaltungen, sowie
Theateraufführungen fanden hier statt.
Nachteilig war, dass er für manche Feldsportarten (Hand- und Fussball) nicht
tauglich war.
Auch bei der Austragung leichtathletischer Veranstaltungen gab es bei
einzelnen Disziplinen Schwierigkeiten. Nach dem Bau des Sportplatzes im Weiher
im Rahmen der Notstandsarbeiten - einer Art ABM-Maßnahme - Ende der 20er Jahre
wurde die Sportstätte im Stadtpark bedeutungslos.
Die Sportarbeit erfolgte im Winter im Saal des Gasthofes zum "Grünen Baum". Da
sich die Gaststätte in unmittelbarer Verbindung zum Saal befand, störte nicht
selten der lautstarke Betrieb während der Turnstunden. So entschloss sich der
Vereinsvorstand zum Bau einer Turnhalle. Wann dieser Entschluss gefasst wurde,
ist nicht eindeutig feststellbar, da die Protokollbücher des Vereines
verlorengegangen sind. Als Standort stellte die politische Gemeinde einen
freien Platz am Sportplatz im Weiher zur Verfügung.
Die Turnhalle sollte so gestaltet werden, dass an der Giebelseite des Gebäudes
eine Bühne für Theater- und Turnvorführungen genutzt werden konnte. Saalwärts
sollte sie verschließbar sein, um dadurch als Versammlungsraum für Heimabende
und für Proben des Laientheaters dienen zu können. Im Raum unter der Bühne
sollten sanitäre Einrichtungen und auch die Turngeräte Platz finden.
Ob es zu dieser Turnhalle einen Kosten- und Finanzierungsplan gab, kann nicht
mehr gesagt werden. Fest steht, dass der Bau der Turnhalle im wesentlichen
durch Eigenleistungen der erwachsenen Turnerschaft und durch Spenden aus der
Gemeinde realisiert werden sollte.
Die Theatergruppe beteiligte sich durch das zur Verfügung stellen der
erspielten Eintrittsgelder an der Finanzierung dieses Gebäudes.
Tatsache ist, dass zu Beginn des Zweiten Weltkrieges die Turnhalle im Rohbau
fertiggestellt war. Die Fenster wurden von Reinhold Rabich während seiner
Urlaubstage vom Militärdienst gefertigt. Selbst als Soldat der Heimatflak
suchte er die Verbindungen zwischen den Vereinsmitgliedern aufrecht zu
Erhalten und machte sich Sorgen um den Fortgang der Bauarbeiten an der
Turnhalle und deren Finanzierung (siehe Feldpostbrief von Reinhold Rabich vom
11.10.41 aus Duisburg).
Die Fertigstellung der Turnhalle geschah dann erst nach dem Krieg.<
[...]
In die sportliche Betätigung der Mädchen und Jungen hatte der Turnwart auch
das Wandern einbezogen. Jährlich zog er mindestens einmal nach
Wandervogelart mit seiner Gruppe aus, um unsere heimatliche Umgebung von der
Rhön bis zum Ringgau zu erkunden.
Dazu gehörten ein- oder mehrmalige Übernachtungen in einer Jugendherberge. Die
Begeisterung für solche Unternehmen waren groß, wenn uns dabei auch enorme
Anstrengungen erwartenden. Eine Strecke wie zum Beispiel von Marksuhl nach
Nentershausen und zurück wurde dabei innerhalb von zwei Tagen unter die Füsse
genommen. Heute würde das wohl weit weniger Begeisterung hervorrufen. Dabei
auf offenem Feuer "abzukochen" und das mehr als bescheidene Mittagsmahl zu
verzehren kostete Überwindung.
Verfügten wir doch bei der damaligen allgemeinen Wirtschaftslage kaum über
Geld und konnten uns Gastwirtschaften nicht leisten.
Bei diesen Wanderungen marschierten wir nicht wie später bei der HJ
uniformiert in Marschordnung mit zackigen Liedern, sondern hingen mehr wie
eine Traube um Reinhold, der mit seiner Waldzitter unseren Wanderliedergesang
unterstützte. Einer der Jugendlichen trug einen Wimpel auf dem das Symbol der
Deutschen Turnerschaft und der Name unseres Ortes zu lesen war.
Wichtig war ihm dabei das freundliche Auftreten seiner Turner auf dem Weg
durch fremde Ortschaften.
Gesungen wurden: "Seht die bunten Fahnen wehen", "Aus grauer Städte Mauern"
oder auch "Im Frühtau zu Berge". Demjenigen, der über das Wandern des
Turnvereins Jahn mehr wissen möchte, wird empfohlen im Fahrtenbuch
nachzulesen.
In den Sommermonaten gingen wir auch, sofern es die Witterung erlaubte, mit
unserem Turnwart im Lindigsteich baden. Dort wurden im Wasser Spiele
ausgeführt. Im Anschluß an das Badeereignis wurde Bodenturnen betrieben, um
den Körper wieder zu erwärmen. Auch bei dieser Gelegenheit wurde viel
gesungen.
War die Badesaison vorüber, trafen wir uns nicht selten auch Sonntag
Nachmittag auf dem Sportplatz, um dort Schlagball oder Völkerball zu spielen.<
[....]
> Das Laientheater
Innerhalb des Vereines wurden die Textbücher für die Bühnenstücke in der
Mehrzahl von Reinhold Rabich verfasst und von ihm mit Spielern eingeübt. Die
von Reinhold inszenierten Vorstellungen im Grünen Baum waren immer sehr gut
besucht.
Mit den in vielen Jahren in Marksuhl und anderen Ortschaften erspielten
Geldern wurde die Turnhalle mitfinanziert.
Gespielt wurden von den Kindern "Dornröschen", "Die Wunderblume", "König
Drosselbart", "Rumpelstilzchen" und manch anderes Märchen.
Von den jungen Erwachsenen wurde dargeboten: "Die Wilderer" oder auch "Vor
Verdun".
Den Theatervorführungen gingen meistens Kostproben des turnerischen Schaffens
der Jugend und der Erwachsenen voraus.<
[...]
> Das Ende der Deutschen Turnerschaft im Nationalsozialismus
Die 75-Jahr-Feier der DT in Coburg
Im Fahrtenbuch des Turnverein Jahn Marksuhl [TJM] wird ausführlich über dieses
denkwürdige Ereignis vom 8.-11. Juni 1935 berichtet.
10 Jungen und 10 Mädchen aus Marksuhl reisten begeistert nach Coburg. Sie
wollten an den Feierlichkeiten dieses Ereignisses aktiv und als Zuschauer
teilnehmen.
Eine festlich geschmückte Stadt empfing die jungen und auch betagten Gäste
dieses Festes am ersten Tag.
Begrüßt wurden die Gäste von Hans Hinrichs, dem Jugendturnwart der DT, und
seinen Mitarbeitern Fritz Braunschmidt und Zilla Huck.
Die Turnerfahnen mit den 4 F wehten über den weißen Zelten auf der
Brandensteinwiese. Es wird von einer beeindruckenden Abendfeier mit großem
Feuer, umstellt von den Vereinsfahnen, berichtet. Zu den Versammelten sprachen
der Reichssportkommissar >von Tschammer und Osten< und Hans Hinrichs. Die
vorzügliche Regie und die massenpsychologisch gut durchdachte Veranstaltung
bewirkte, dass die Jugendlichen sehr ergriffen zum Zeltlager am Fuße der
festlich beleuchteten Coburg zurückkehren.
Am zweiten Tag fand am Vormittag wie üblich das Wett-Turnen statt, an dem sich
Otto Ruppert aus Marksuhl beteiligte. Nebenan sangen und tanzten
Mädchenriegen. Mit dem zur gleichen Zeit stattfindenden "Wehrturnkampf" wird
etwas sehr ungewöhnliches geboten.
Es wird durch Drahthindernisse gekrochen, 4 Meter hohe Eskalatierwände werden
überwunden und Keulen als nachempfundene Stielhandgranaten werden in Weit- und
Zielwurf verwendet. Diese Sportarten hatte es in der 75-jährigen Geschichte
nie gegeben und sie waren politisch richtungsweisend.
Um 11 Uhr fand die "Morgenfeier" - und nicht wie üblich die Morgenandacht - im
Veilchengrund statt. Der Reichssportführer sprach dabei zu den Turnern: "Turn-
und Sportverbände sind nicht dazu da, das persönliche Wohlergehen von
Privatleuten zu fördern; die Leibesübungen bilden einen wichtigen Teil des
Volkslebens und sind ein grundlegender Bestandteil des nationalen
Erziehungssystems."
Am Nachmittag marschierte die DT ein letztes Mal in ihrer Geschichte bei einem
Turnfest mit den Turnerfahnen und dem Symbol "Frisch - Fromm - Fröhlich -
Frei". Auch Hakenkreuzfahnen wurden schon geschwenkt, diese Fahnen wurden als
Sturmfahnen bezeichnet. Der Umzug endete auf dem Marktplatz mit einer großen
Kundgebung.
Anschließend begann das große Schauturnen, bei der auch die Deutschandriege
ihr Können zeigte. Die Marksuhler beteiligten sich am Bodenturnen. Geschlossen
wurde die 75-Jahrfeier mit der Siegerehrung.
Die Konsequenzen der 75-Jahr-Feier.
Das Fest in Coburg war wohl das letzte große Turnfest einer langjährigen
Tradition, mit der sich die DT aus der Geschichte zum Zweck der
Machtvervollkommnung der NSDAP verabschieden mußte.
Mit diesem Turnfest mutierte die DT - in den der TJM integriert war - auf
höheren Befehl zum Reichsbund für Leibesübungen. Andere Vereine und Verbände
ereilte dieses Schicksal im Zuge der Gleichschaltung schon zu früheren Zeiten
nach der Machtergreifung.
Es gab dadurch keine Vereins- und Turnerfahnen mehr. Eine Nation
gleichgesinnter Menschen im Gleichschritt war das Ziel der
Nationalsozialisten.
Anstelle des Emblems der vier F erscheint nunmehr das Emblem des Reichsbundes
für Leibesübungen. Zuerst dürfen noch beide Embleme nebeneinander am Turnhemd
getragen werden. Wenige Monate später erfolgt die Weisung, das "DT" zu
entfernen.
Der "Reichsbund für Leibesübungen" trennt sich von den christlichen Werten,
die als unarisch angesehen werden. An ihre Stelle tritt die NS-Ideologie.
Die bei Turnfesten üblichen Siegerbänder des DT werden farblich geändert und
die Buchstaben "DT" durch den Reichsadler mit Hakenkreuz ersetzt
Was nun mit dem Turnverein
Der Turnwart Reinhold Rabich setzte seine Arbeit unter den neuen
Bedingungen fort, auch als er zur Heimatflak eingezogen wurde. Er hält mit den
Turnern und Turnerinnen brieflich Verbindung und macht sich über den Fortgang
der Dinge Gedanken. Dieses ist einem Feldpostbrief zu entnehmen, den er am
11.10.1941 an eine Riegenführerin schrieb.
An dem Ablauf der Turn- und Gymnastikarbeit änderte sich nichts, auch nicht an
den Grußformen. Am Turnhallenbau wurde weiter gearbeitet. Die Berichte in den
Fahrtenbüchern werden mit dem Vereinsgruß, manchmal auch mit "Heil Hitler"
oder gar mit beiden beendet.
1938 gibt es noch ein großes Turn- und Sportfest in Breslau. Dort tritt der DT
als selbständiger Sportverein nicht mehr in Erscheinung. Den jungen Menschen
wird proklamiert: "Ihr werdet als Glieder der nationalsozialistischen Bewegung
in die Gemeinschaft aufgenommen, damit ihr dieser Bewegung und dem Deutschen
Reich in allen kommenden Jahren eures Lebens dienen könnt. Ob ihr arm seid
oder reich, das ist dem Führer gleichgültig. [...] Kommt zu uns, als Garanten
der Zukunft. "
So wurden wir als Jugend im Dritten Reich geschmeichelt und in eine
verhängnisvolle Pflicht genommen. Viele haben es mit ihrem Leben oder dem
Verlust ihrer Gesundheit bezahlen müssen.
Nach dem Zusammenbruch kam Reinhold Rabich wohlbehalten nach Hause zurück, wo
ihn seine im Krieg gegründete Familie erwartete. Die gesellschaftspolitischen
Verhältnisse änderten sich mit der Gründung der DDR und der Entwicklung einer
sozialistischen Gesellschaftsordnung. Dem Sport wird hier auch ein
beachtlicher Stellenwert zugeordnet und politisch instrumentalisiert. Für
einen Turnverein gibt es keinen Bedarf mehr, besonders dann, wenn er sich auf
christliche Grundwerte bezieht.
Reinhold Rabich beschäftigte sehr, dass viele seiner Turner für den
ideologischen Größenwahn des Nationalsozialismus ihr kostbares Leben verlieren
mußten. In den 50ziger Jahren sammelt er systematisch die persönlichen Daten
der Gefallenen und Vermißten für die Schaffung einer Mahn- und Gedenkstätte im
Ort. Gedacht als Mahnung an die politisch Verantwortlichen und gegen das
Vergessen der nachfolgenden Generationen. So entschied er sich, für die
Widmung der Gedenkstätte die Worte "Wir mahnen - haltet Frieden" zu verwenden.
Erst nach der Wende ergab sich die Möglichkeit, an die Realisierung dieses
Vorhabens zu gehen.
Das alte Turnermotto "Frisch - Fromm - Fröhlich - Frei" hat auch in einer
Zeit, in der Humanität und Toleranz so vielfältig beschworen werden, noch
nichts an Gültigkeit verloren.
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