Turnverein Jahn 1907 Marksuhl
Diese Seite soll an die Anfänge des Sports in Marksuhl erinnern, die im Turnverein Jahn wurzeln.

Das Bildmaterial wurde von meinem Großvater Ernst Trostmann zusammengetragen.
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Auszüge aus der Chronik des Turnvereins

> In dieser so bewegeten Zeit erfolgte in Marksuhl 1906 die Gründung des "Turnvereins Jahn".
Die Gründungsväter des Turnvereins waren: Dr. Landbeck (Direktor der damaligen Winterschule) sowie der Lehrer und Kantor Nennstiel. Man darf den Gründungsvätern unterstellen, dass ihr Handeln von großem Idealismus beseelt war.Wohl und Nutzen für die Marksuhler standen an erster Stelle.<
[...]
>Veranstaltungen des Vereines wurden mit dem Gruß "Gut Heil" begonnen und auch ebenso beendet.
Der Turnverein Jahn Marksuhl hatte ebenso wie andere Vereine eine Vereinsfahne. Diese Vereinsfahne wurde beim Einzug der Sowjetarmee in Marksuhl versteckt und hat sich bis zum heutigen Tage nicht wieder eingefunden.
Neben der Marksuhler Fahne des Turnvereins wurde nach dem ersten Weltkrieg noch die Fahne des deutschen Turnerbundes geführt. Das Emblem dieser Fahne bestand aus vier großen F in roter Farbe zu einem Kreuz zusammengefügt auf weißen Fahnengrund.
Das Emblem bedeutete "Frisch", "Fromm","Fröhlich","Frei".

Frisch: An die Lösung anstehender Probleme mutig und zielstrebig herngehen.
Immer der Zukunft zugewandt ohne die Bindung zur Vergangenheit zu verlieren

Fromm: Alles, was ihr von den Menschen erwartet, das tut ihr ihnen ebenso.
Einen Weg miteinander gehen,sich dabei nicht gegenseitig aus den Augen verlieren,
in Verantwortung für einander Leben.
So entsteht eine durch Frieden gekennzeichnete Gefährtenschaft - ob im Turnverein,
in Familie, in der Schule oder an der Arbeit.

Frei: Jede Gemeinschaft zerbröckelt, wenn der Einzelne ungehindert bestimmen kann, wieviel Freiheit er sich nehmen darf. Freiheit hat auch zum Inhalt, sich gegen gegen sich selbst entscheiden zu können, wenn es nötig ist. <
[...]
> Zu den gepflegten Sportarten gehörten:
- Geräteturnen: Reck, Hochreck, Barren, Kasten, Pferd, Bock, Schwebebalken
- Bodenturnen und Gymnastik
- Ballspiele: Schlagball, Völkerball, Faustball, Schleuderball, Handball
- Leichtathletik: Lauf, Wurf, Weitsprung, Hochsprung, Kugelstoßen

In der kalten Jahreszeit fanden die Turnstunden im Saal des "Grünen Baumes" statt. Im Saal wurden Geräteturnen, Bodenturnen und Gymnastik gepflegt. Die Übungsgruppen wurden als Turnriegen bezeichnet. Es gab Turnriegen der Männer, der Frauen, der Jungen sowie Mädchen. Außerdem gab es eine Gymnastikgruppe der Frauen.
Vor dem ersten Weltkrieg waren Fritz Ahbe und Karl Thiel als Turnwarte tätig.
Eine gewaltige Zäsur für das Vereinsleben in Marksuhl war der erste Weltkrieg. Nach Beendigung des ersten Weltkrieges wurde das Vereinszusammensein neu belebt, wenn auch viele Dinge nicht mehr so waren wie früher. Dabei wurde an die alten Traditionen angeknüpft.<
[...]
>
Die Satzung des Turnvereins forderte von den Vereinsmitgliedern Disziplin.
Häufiges unentschuldigtes Fehlen, wie auch ungebührliches Verhalten im Verein und in der Öffentlichkeit konnten den Ausschluß vom Verein bewirken.
Neben der Pflege des Sportes bemühte sich der Turnverein auch um Veranstaltungen geselliger, gemeinschaftsfördernder Art. Anfang des Jahres fand der traditionelle Turnerball statt. Im Winter wurden auch volkstümliche Theaterstücke aufgeführt, in Verbindung mit sportlichen Einlagen. Alljährlich veranstaltete man zu Himmelfahrt Wanderungen zum nahe gelegenen Dietrichsberg, gelegen zwischen Wünschensuhl und Oberellen. Daran beteiligten sich nicht nur die aktiven Sportler, sondern auch deren Familienangehörige. Dort trafen sich bei dieser Gelegenheit die Turnvereine der umliegenden Ortschaften. Die Veranstaltungen begannen mit einem Gottesdienst mit musikalischer Ausgestaltung durch Blaskapellen.
Darauf folgten sportliche Vorführungen der beteiligten Turnerschaften; auch Gesang und Theaterspiel wurden dabei gepflegt.
Für die erwachsenen Turner endete der Tag mit einer Tanzveranstaltung in einer der naheliegenden Gemeinden. Manche bleibende Verbindung wurde dabei zwischen Teilnehmerinnen und Teilnehmern geknüpft.
Diese gute Tradition wurde auch nach dem ersten Weltkrieg weitergeführt, bis Mitte der 30iger Jahre. <
[...]
>Reinhold Rabich, gelernter Tischler und Landwirt, war Turnwart für Jungen- und Mädchenturnen. Zu dieser Tätigkeit wurde er durch Absolvierung eines Lehrganges an der "Preussischen Hochschule" in Berlin-Spandau befähigt.
Das Geräteturnen erfuhr bei Ihm eine sehr hohe Wertschätzung. Sah er doch darin eine wirkungsvolle Möglichkeit zur allseitigen harmonischen Entwicklung der Turnerjugend. Ging es dabei ja um die Entwicklung wertvoller körperlicher Fähigkeiten wie Kraft, Beweglichkeit und Koordination. Desweiteren um die Förderung wesentlicher psychischer Eigenschaften wie Leistungsbereitschaft, Konzentration und Selbstbeherrschung.
Nicht zu vergessen sei die Entwicklung des Gemeinschaftssinnes und des uneigennützigen Beistandes in der Gruppe. Erwähnt sei auch sein Bestreben, den Kindern möglichst früh den Zugang zur sportlichen Betätigung zu ermöglichen und das Interesse der Eltern am sportlichen Tun ihrer Kinder zu wecken. So haben ihn die Nachkriegsgenerationen des ersten Weltkrieges kennen- und schätzen gelernt.
Er hat in vielfältiger Weise bezüglich unserer Freizeitgestaltung Aufgaben der Eltern übernommen. Er war für uns Mädchen und Jungen immer da und ein "Zuviel" oder "jetzt reicht es mir" gab es nicht.
An jedem Mittwoch leitete Reinold Rabich die Turnstunde im Grünen Baum. Am Spätnachmittag versammelte er die Kinder und Jugendlichen um sich, am Abend die erwachsenen Turnerinnen und Turner.
Die Geräte waren in der Peripherie des Saales aufgestellt, in der Mitte das Reck an vier Haken abgespannt. Die Haken waren im Saalboden versenkbar angebracht, um auch weiterhin Tanzveranstaltungen zu ermöglichen.
Die Turnbekleidung bestand für Kinder und Jugendliche aus schwarzer Turnhose, leichten Turnschuhen und weißem Turnhemd, geziert mit dem Emblem der Deutschen Turnerschaft.
Die Turnstunden wurden grundsätzlich mit Freiübungen begonnen. Sie dienten als sogenannte Lockerungsübungen wie auch zur Verbesserung der allgemeinen Körperhaltung.
Die Turner wurden in Riegen aufgeteilt, die an den jeweiligen Geräten ihre Übungen unter Anleitung eines erfahrenen Riegenführers turnten.
Geturnt wurde im Stationsbetrieb und der Gerätewechsel erfolgte durch Pfiff des Turnwarts.
Die Riegenführer turnten auf Kommando "Achtung" die Übungen vor und erklärten den Ablauf. Nach dem Kommando "Rühren" wurde die Übung von den Turnern der Riege nacheinander ausgeführt.
Geachtet wurde dabei auf die Körperhaltung, die Harmonie der Bewegung, sowie auf die fehlerfreie Ausführung der Übung.
Eine besondere Disziplin stellte das Bodenturnen dar.
Die Turnstunde wurde in der Regel mit einem Spiel, einem Lied aus der Liedersammlung "Getreu alle Zeit" und dem Gruß "Gut Heil" beendet.
Die Riege der Männer kleidete sich in weiße lange Hosen, weiße Turnschuhe, weißes Sporthemd mit dem Zeichen "Frisch, Fromm, Fröhlich, Frei" in rot auf der linken Seite des Sporthemdes. Wir Buben besuchten gerne als Zuschauer an Sommerabenden das Turnen der Männer und staunten über das Muskelspiel und das turnerische Können am Hochreck, Barren und Pferd, als deren Hauptdisziplinen.
Ganz beachtliche Leistungen boten die jungen Männer unseres Dorfes beim Turnen am Barren und auch am Pferd.
Ihre Riesenwellen am Hochreck mit erstaunlichen Abgängen haben wir mit Respekt in Augenschein genommen. Hierbei sei erwähnt, daß die Turnstunden in der warmen Jahreszeit auf dem Sportplatz im Weiher stattfanden. Die Turngeräte wurden dort in einer Baracke am Schwimmbad unter Verschluß verwahrt und zu den Turnstunden im Freien aufgestellt.<

[...]
>Die Gymnastikgruppe der Mädchen im Turnverein unter der Leitung von Turnwart Rabich setzten sich ambitionierte Mädchen mit den gymnastisch-turnerischen Übungen auseinander.
Als gymnastische Handgeräte wurden verwendet: Stab, Keule und Fahne.
Da zu solch rythmischen Bewegungsabläufen Musik als tragendes Element unerläßlich ist, bemühte sich in der Regel Egon Wagner, die Übungen am Klavier zu begleiten. Ziel dieser turnerischen Betätigung war die Gestaltung harmonischer Bewegungsabläufe in Anmut und Schönheit.
Die Theaterveranstaltungen, wie auch die Bezirksturnfeste (später Untergauturnfeste), waren eine bedeutende Möglichkeit für die Gymnastikgruppe ihr Können einer größeren Öffentlichkeit zu beweisen und nicht nur in Marksuhl sondern auch in anderen Orten die Zuschauer zu begeistern.
Mit der Eingliederung des Turnvereins in den "Reichsbund für Leibesübungen" bekamen die Mädchen für ihren Auftritt einen moderneren, "schicken" Gymnastikanzug, wie es auf dem Bild zu sehen ist.
Dieses war auch ein Akt der Emanzipation, die damals noch in den Kinderschuhen steckte.<

[...]
>Höhepunkte im Vereinsschaffen waren die Unterbezirks- bzw. Untergauturnfeste, die in der Regel alljährlich in einem anderen Ort ausgetragen wurden. Hierzu wurden auch Riegen aus anderen Regionen als Gäste eingeladen und zeigten bei dieser Gelegenheit ihr Können.
In einer Festschrift des Turnverein 1869 Herleshausen zu seinem 125-jährigen Jubiläum wird zum Beispiel berichtet, daß eine Auswahlriege sich an einem solchen Sportfest in Marksuhl beteiligt habe.
In umgekehrter Weise, so wird es im Fahrtenbuch berichtet, beteiligte sich am 4. und 5. Juli 1931 eine Delegation aus Marksuhl am Turnfest im hessischen Archfeld.
An eines dieser Untergausportfeste Mitte der dreißiger Jahre kann ich mich noch erinnern. Wir waren schon Schüler der Volksschule im damals nationalsozialistischen Deutschland. Es war die letzte dieser Veranstaltungen in unserem Ort.
So kann ich mich erinnern, dass auch meine Eltern sich bereit erklärten ein Quartier für die zahlreichen auswärtigen Teilnehmer zur Verfügung zu stellen.
Die Festveranstaltung begann am Sonntagmorgen mit einem Festgottesdienst auf dem Sportplatz im Weiher, entsprechend der christlichen Lebensauffassung unseres Turnvereins.
Für die musikalische Ausgestaltung sorgte die Marksuhler Blaskapelle.
Die Sportveranstaltung wurde mit einem Gymnastikprogramm der Turnerinnen und Turner eröffnet. Dem folgten das Wett-Turnen der Turnerinnen und Turner an den Geräten. Nachmittags fand das Schauturnen der Spitzenturner des Sportfestes statt. Dabei zeigten die Turner der Deutschlandriege - einer Art Nationalmannschaft - aus Ruhla ihr Können. Viele Interessierte bestaunten die gezeigten Leistungen und sparten nicht mit Beifall.
Diesem Teil des Sportfestes folgte die Abschlußveranstaltung mit Siegerehrung. Als Siegertrophäen gab es für Frauen und Männer zur Erinnerung kleine Kränze aus Eichenlaub mit rot-weißen Schleifen und dem Symbol der Deutschen Turnerschaft, sowie Jahr und Ort der Veranstaltung. Die jugendlichen Teilnehmer erhielten Eichenzweige mit den gleichen Schleifen und Aufschriften.<

[...]
>Turn- und Sportplätze
Seit der Gründung des Turnvereins in Marksuhl spielten auch die Örtlichkeiten des sportlichen Treibens eine nicht unbedeutende Rolle. Das aktive turnerische Vereinsgeschehen geschah im Sommer auf dem Fest-, Sport-, Turn- und Spielplatz im oberen Teil des Stadtparkwaldes.
Der besondere Reiz dieser ersten Sportstätte bestand in den ringsum stehenden, schattenspenden Bäumen des Waldes. Für das leibliche Wohl waren natürlich Bratwurst und Bier vorhanden. Manche Fest- und Sportveranstaltungen, sowie Theateraufführungen fanden hier statt.
Nachteilig war, dass er für manche Feldsportarten (Hand- und Fussball) nicht tauglich war.
Auch bei der Austragung leichtathletischer Veranstaltungen gab es bei einzelnen Disziplinen Schwierigkeiten. Nach dem Bau des Sportplatzes im Weiher im Rahmen der Notstandsarbeiten - einer Art ABM-Maßnahme - Ende der 20er Jahre wurde die Sportstätte im Stadtpark bedeutungslos.
Die Sportarbeit erfolgte im Winter im Saal des Gasthofes zum "Grünen Baum". Da sich die Gaststätte in unmittelbarer Verbindung zum Saal befand, störte nicht selten der lautstarke Betrieb während der Turnstunden. So entschloss sich der Vereinsvorstand zum Bau einer Turnhalle. Wann dieser Entschluss gefasst wurde, ist nicht eindeutig feststellbar, da die Protokollbücher des Vereines verlorengegangen sind. Als Standort stellte die politische Gemeinde einen freien Platz am Sportplatz im Weiher zur Verfügung.
Die Turnhalle sollte so gestaltet werden, dass an der Giebelseite des Gebäudes eine Bühne für Theater- und Turnvorführungen genutzt werden konnte. Saalwärts sollte sie verschließbar sein, um dadurch als Versammlungsraum für Heimabende und für Proben des Laientheaters dienen zu können. Im Raum unter der Bühne sollten sanitäre Einrichtungen und auch die Turngeräte Platz finden.
Ob es zu dieser Turnhalle einen Kosten- und Finanzierungsplan gab, kann nicht mehr gesagt werden. Fest steht, dass der Bau der Turnhalle im wesentlichen durch Eigenleistungen der erwachsenen Turnerschaft und durch Spenden aus der Gemeinde realisiert werden sollte.
Die Theatergruppe beteiligte sich durch das zur Verfügung stellen der erspielten Eintrittsgelder an der Finanzierung dieses Gebäudes.
Tatsache ist, dass zu Beginn des Zweiten Weltkrieges die Turnhalle im Rohbau fertiggestellt war. Die Fenster wurden von Reinhold Rabich während seiner Urlaubstage vom Militärdienst gefertigt. Selbst als Soldat der Heimatflak suchte er die Verbindungen zwischen den Vereinsmitgliedern aufrecht zu Erhalten und machte sich Sorgen um den Fortgang der Bauarbeiten an der Turnhalle und deren Finanzierung (siehe Feldpostbrief von Reinhold Rabich vom 11.10.41 aus Duisburg).
Die Fertigstellung der Turnhalle geschah dann erst nach dem Krieg.<

[...]
In die sportliche Betätigung der Mädchen und Jungen hatte der Turnwart auch das Wandern einbezogen. Jährlich zog er mindestens einmal nach Wandervogelart mit seiner Gruppe aus, um unsere heimatliche Umgebung von der Rhön bis zum Ringgau zu erkunden.
Dazu gehörten ein- oder mehrmalige Übernachtungen in einer Jugendherberge. Die Begeisterung für solche Unternehmen waren groß, wenn uns dabei auch enorme Anstrengungen erwartenden. Eine Strecke wie zum Beispiel von Marksuhl nach Nentershausen und zurück wurde dabei innerhalb von zwei Tagen unter die Füsse genommen. Heute würde das wohl weit weniger Begeisterung hervorrufen. Dabei auf offenem Feuer "abzukochen" und das mehr als bescheidene Mittagsmahl zu verzehren kostete Überwindung.
Verfügten wir doch bei der damaligen allgemeinen Wirtschaftslage kaum über Geld und konnten uns Gastwirtschaften nicht leisten.
Bei diesen Wanderungen marschierten wir nicht wie später bei der HJ uniformiert in Marschordnung mit zackigen Liedern, sondern hingen mehr wie eine Traube um Reinhold, der mit seiner Waldzitter unseren Wanderliedergesang unterstützte. Einer der Jugendlichen trug einen Wimpel auf dem das Symbol der Deutschen Turnerschaft und der Name unseres Ortes zu lesen war.
Wichtig war ihm dabei das freundliche Auftreten seiner Turner auf dem Weg durch fremde Ortschaften.
Gesungen wurden: "Seht die bunten Fahnen wehen", "Aus grauer Städte Mauern" oder auch "Im Frühtau zu Berge". Demjenigen, der über das Wandern des Turnvereins Jahn mehr wissen möchte, wird empfohlen im Fahrtenbuch nachzulesen.
In den Sommermonaten gingen wir auch, sofern es die Witterung erlaubte, mit unserem Turnwart im Lindigsteich baden. Dort wurden im Wasser Spiele ausgeführt. Im Anschluß an das Badeereignis wurde Bodenturnen betrieben, um den Körper wieder zu erwärmen. Auch bei dieser Gelegenheit wurde viel gesungen.
War die Badesaison vorüber, trafen wir uns nicht selten auch Sonntag Nachmittag auf dem Sportplatz, um dort Schlagball oder Völkerball zu spielen.<

[....]
> Das Laientheater
Innerhalb des Vereines wurden die Textbücher für die Bühnenstücke in der Mehrzahl von Reinhold Rabich verfasst und von ihm mit Spielern eingeübt. Die von Reinhold inszenierten Vorstellungen im Grünen Baum waren immer sehr gut besucht.
Mit den in vielen Jahren in Marksuhl und anderen Ortschaften erspielten Geldern wurde die Turnhalle mitfinanziert.
Gespielt wurden von den Kindern "Dornröschen", "Die Wunderblume", "König Drosselbart", "Rumpelstilzchen" und manch anderes Märchen.
Von den jungen Erwachsenen wurde dargeboten: "Die Wilderer" oder auch "Vor Verdun".
Den Theatervorführungen gingen meistens Kostproben des turnerischen Schaffens der Jugend und der Erwachsenen voraus.<

[...]
> Das Ende der Deutschen Turnerschaft im Nationalsozialismus
Die 75-Jahr-Feier der DT in Coburg
Im Fahrtenbuch des Turnverein Jahn Marksuhl [TJM] wird ausführlich über dieses denkwürdige Ereignis vom 8.-11. Juni 1935 berichtet.
10 Jungen und 10 Mädchen aus Marksuhl reisten begeistert nach Coburg. Sie wollten an den Feierlichkeiten dieses Ereignisses aktiv und als Zuschauer teilnehmen.
Eine festlich geschmückte Stadt empfing die jungen und auch betagten Gäste dieses Festes am ersten Tag.
Begrüßt wurden die Gäste von Hans Hinrichs, dem Jugendturnwart der DT, und seinen Mitarbeitern Fritz Braunschmidt und Zilla Huck.
Die Turnerfahnen mit den 4 F wehten über den weißen Zelten auf der Brandensteinwiese. Es wird von einer beeindruckenden Abendfeier mit großem Feuer, umstellt von den Vereinsfahnen, berichtet. Zu den Versammelten sprachen der Reichssportkommissar >von Tschammer und Osten< und Hans Hinrichs. Die vorzügliche Regie und die massenpsychologisch gut durchdachte Veranstaltung bewirkte, dass die Jugendlichen sehr ergriffen zum Zeltlager am Fuße der festlich beleuchteten Coburg zurückkehren.
Am zweiten Tag fand am Vormittag wie üblich das Wett-Turnen statt, an dem sich Otto Ruppert aus Marksuhl beteiligte. Nebenan sangen und tanzten Mädchenriegen. Mit dem zur gleichen Zeit stattfindenden "Wehrturnkampf" wird etwas sehr ungewöhnliches geboten.
Es wird durch Drahthindernisse gekrochen, 4 Meter hohe Eskalatierwände werden überwunden und Keulen als nachempfundene Stielhandgranaten werden in Weit- und Zielwurf verwendet. Diese Sportarten hatte es in der 75-jährigen Geschichte nie gegeben und sie waren politisch richtungsweisend.
Um 11 Uhr fand die "Morgenfeier" - und nicht wie üblich die Morgenandacht - im Veilchengrund statt. Der Reichssportführer sprach dabei zu den Turnern: "Turn- und Sportverbände sind nicht dazu da, das persönliche Wohlergehen von Privatleuten zu fördern; die Leibesübungen bilden einen wichtigen Teil des Volkslebens und sind ein grundlegender Bestandteil des nationalen Erziehungssystems."
Am Nachmittag marschierte die DT ein letztes Mal in ihrer Geschichte bei einem Turnfest mit den Turnerfahnen und dem Symbol "Frisch - Fromm - Fröhlich - Frei". Auch Hakenkreuzfahnen wurden schon geschwenkt, diese Fahnen wurden als Sturmfahnen bezeichnet. Der Umzug endete auf dem Marktplatz mit einer großen Kundgebung.
Anschließend begann das große Schauturnen, bei der auch die Deutschandriege ihr Können zeigte. Die Marksuhler beteiligten sich am Bodenturnen. Geschlossen wurde die 75-Jahrfeier mit der Siegerehrung.


Die Konsequenzen der 75-Jahr-Feier.
Das Fest in Coburg war wohl das letzte große Turnfest einer langjährigen Tradition, mit der sich die DT aus der Geschichte zum Zweck der Machtvervollkommnung der NSDAP verabschieden mußte.
Mit diesem Turnfest mutierte die DT - in den der TJM integriert war - auf höheren Befehl zum Reichsbund für Leibesübungen. Andere Vereine und Verbände ereilte dieses Schicksal im Zuge der Gleichschaltung schon zu früheren Zeiten nach der Machtergreifung.
Es gab dadurch keine Vereins- und Turnerfahnen mehr. Eine Nation gleichgesinnter Menschen im Gleichschritt war das Ziel der Nationalsozialisten.
Anstelle des Emblems der vier F erscheint nunmehr das Emblem des Reichsbundes für Leibesübungen. Zuerst dürfen noch beide Embleme nebeneinander am Turnhemd getragen werden. Wenige Monate später erfolgt die Weisung, das "DT" zu entfernen.
Der "Reichsbund für Leibesübungen" trennt sich von den christlichen Werten, die als unarisch angesehen werden. An ihre Stelle tritt die NS-Ideologie.
Die bei Turnfesten üblichen Siegerbänder des DT werden farblich geändert und die Buchstaben "DT" durch den Reichsadler mit Hakenkreuz ersetzt


Was nun mit dem Turnverein
Der Turnwart Reinhold Rabich setzte seine Arbeit unter den neuen Bedingungen fort, auch als er zur Heimatflak eingezogen wurde. Er hält mit den Turnern und Turnerinnen brieflich Verbindung und macht sich über den Fortgang der Dinge Gedanken. Dieses ist einem Feldpostbrief zu entnehmen, den er am 11.10.1941 an eine Riegenführerin schrieb.
An dem Ablauf der Turn- und Gymnastikarbeit änderte sich nichts, auch nicht an den Grußformen. Am Turnhallenbau wurde weiter gearbeitet. Die Berichte in den Fahrtenbüchern werden mit dem Vereinsgruß, manchmal auch mit "Heil Hitler" oder gar mit beiden beendet.
1938 gibt es noch ein großes Turn- und Sportfest in Breslau. Dort tritt der DT als selbständiger Sportverein nicht mehr in Erscheinung. Den jungen Menschen wird proklamiert: "Ihr werdet als Glieder der nationalsozialistischen Bewegung in die Gemeinschaft aufgenommen, damit ihr dieser Bewegung und dem Deutschen Reich in allen kommenden Jahren eures Lebens dienen könnt. Ob ihr arm seid oder reich, das ist dem Führer gleichgültig. [...] Kommt zu uns, als Garanten der Zukunft. "
So wurden wir als Jugend im Dritten Reich geschmeichelt und in eine verhängnisvolle Pflicht genommen. Viele haben es mit ihrem Leben oder dem Verlust ihrer Gesundheit bezahlen müssen.
Nach dem Zusammenbruch kam Reinhold Rabich wohlbehalten nach Hause zurück, wo ihn seine im Krieg gegründete Familie erwartete. Die gesellschaftspolitischen Verhältnisse änderten sich mit der Gründung der DDR und der Entwicklung einer sozialistischen Gesellschaftsordnung. Dem Sport wird hier auch ein beachtlicher Stellenwert zugeordnet und politisch instrumentalisiert. Für einen Turnverein gibt es keinen Bedarf mehr, besonders dann, wenn er sich auf christliche Grundwerte bezieht.
Reinhold Rabich beschäftigte sehr, dass viele seiner Turner für den ideologischen Größenwahn des Nationalsozialismus ihr kostbares Leben verlieren mußten. In den 50ziger Jahren sammelt er systematisch die persönlichen Daten der Gefallenen und Vermißten für die Schaffung einer Mahn- und Gedenkstätte im Ort. Gedacht als Mahnung an die politisch Verantwortlichen und gegen das Vergessen der nachfolgenden Generationen. So entschied er sich, für die Widmung der Gedenkstätte die Worte "Wir mahnen - haltet Frieden" zu verwenden. Erst nach der Wende ergab sich die Möglichkeit, an die Realisierung dieses Vorhabens zu gehen.
Das alte Turnermotto "Frisch - Fromm - Fröhlich - Frei" hat auch in einer Zeit, in der Humanität und Toleranz so vielfältig beschworen werden, noch nichts an Gültigkeit verloren.